Durchbruch und neue Wäsche 1917

Von August 1915 bis Oktober 1917 kam es zu 12 Isonzoschlachten. Die Italiener waren dabei in elf von ihnen der Angreifer und um ihnen das Eindringen in das Innere der Monarchie zu verwehren musste die Österreich-Ungarische Armee all ihre Kraft aufbringen. Zum Ende der elften Isonzoschlacht hatte sich die K.u.K. Armee an den Rand des Plateau von Bainsizza (heute Banjčice) zurückziehen müssen und war dadurch in eine unhaltbare Lage geraten. Zwar hatte sich auch die Italienische Armee erschöpft, einen weiteren Angriff würden sie aber nicht abwehren können. Aus der Not heraus gingen nun die Österreicher zum Angriff über. Gemeinsam mit der Kaiserlichen Armee bildeten die Österreicher die 14. Armee. Die Vorbereitungen für die zwölfte und letzte Isonzoschlacht hatten begonnen. 

 

Über den deutschen Soldaten welcher uns diese Fotos hinterlassen hat konnte ich nicht viel in Erfahrung bringen. Er hieß Karl und erlebte die 12. Isonzoschlacht als Jäger im preußischem Reserve-Jäger-Bataillon Nr. 5. Mehr als seinen Vornamen und sein Bataillon verrät er uns über sich nicht. Aber die Fotos in seinem Nachlass beschriftete er und so kann er uns, gemeinsam mit seinem Kameraden Richard Arndt seine Geschichte erzählen. Richard meldete sich mit 15 Jahren und der Erlaubnis seiner Eltern zum gleichen Bataillon und schrieb seine Erlebnisse später in seinem Buch "Mit fünfzehn Jahren an die Front" nieder. Lassen wir sie nun abwechselnd zu Wort kommen.

 

 

Karl: "Das zerschossene Dorf St.Luzia in denselben wir lagen und von hier nach der ersten Stellung gingen wo wir am 24. Oktober 1917 den Durchbruch machten."

 

Richard: "Man hat es sich schon angewöhnt, im Laufen zu schlafen, bis man bei einer plötzlichen Stockung mit der Nase gegen das Kochgeschirr seines Vordermannes rennt, was sehr schmerzhaft ist. Irgendeine Train- oder Artilleriekolonne kreuzt unsere Straße. Wir stehen dann mit unserem schweren Gepäck in der pechschwarzen Nacht bei strömendem Regen und warten, bis es weitergeht. Da der verlorene Anschluss wieder erreicht werden muss, wird ein kleiner Eilmarsch eingeschlagen. Endlich erreichen wir hinter dem Dorfe Santa Luzia die Zulaufgräben. In diesen geht es steil bergauf nach der auf dem Sveta Maria liegenden Stellung. Im Zulaufgraben begrüßen uns schon die ersten Granaten, die krachend neben ihm einschlagen."

 

Karl und Richard erlebten eine unruhige Nacht in den Kavernen der ersten Linie. Die ganze Nacht trommelte die Artillerie und die Minenwerfer auf die gesamten italienischen Stellungen im Tal und in den Bergen. Im Morgengrauen sollte ihr Bataillon von den steilen Hängen der Sveta Maria (Mengore) hinab in das Tal stürmen, die italienischen Stellungen im Tal vor der zerschossenen Ortschaft Ciginj durchbrechen und den dahinter aufragenden Jeza einnehmen. Der Jeza war von den Baumeistern der Italiener zu einer Bergfestung ausgebaut worden.

 

Aufmarsch, Angriff und Verlauf der Offensive im Tominer Brückenkopf am 24.10.1917 aus dem Reichsarchiv.
Aufmarsch, Angriff und Verlauf der Offensive im Tominer Brückenkopf am 24.10.1917 aus dem Reichsarchiv.

Karl: "Der erste erstürmte Berg, die Jeza mit einem Teil des Ortes Cininj. Ein vollständiger Trümmerhaufen."

 

Richard: "7 Uhr. Los! ertönt das Kommando . Los! rufe ich meiner Gruppe zu und bin mit einem Sprung aus dem Graben, rutsche aber sofort aus und nun geht es mit unheimlicher Geschwindigkeit die Wand hinunter. Da sehe ich plötzlich den abgeschossenen Stumpf eines Strauches neben mir. Blitzschnell greife ich danach und halte mich fest. Ein Gewehr, Handgranaten und Stahlhelme fliegen an mir vorüber in das Tal. Um nicht wieder den Halt zu verlieren, steige ich jetzt langsam abwärts. Endlich lange ich am Fuße des Berges an und bleibe aufatmend stehen, um auf meine Gruppe zu warten. Zwei meiner Leute bleiben mit gebrochenen Beinen liegen."

 Karl: "Der gleiche Berg mit dem Drahtverhau vor Ciginj. Hier gab es die ersten Italiener zu sehen und viel Wein und andere Dinge."

 

Richard: "Gemeinsam mit Leutnant Robitschek stürmen wir jetzt quer durch das Tal, bis uns die undurchdringlich Wand aus Feuer und Qualm Einhalt gebietet. Ich schieße eine weiße Leuchtkugel ab. Schlagartig legt sich das Feuer um 200 Meter weiter nach vorn. Hier müssen wohl die ersten Gräben gewesen sein. Gräben? Diese sieht man nicht mehr. Trichter liegen neben Trichter, alles ist zertrommelt. Einzelne zerrissene Stacheldrahftetzen liegen umher, das ehemalige Drahtverhau andeutend. Wieder sind wir an die Feuerwand heran. Die Splitter surren um uns herum. Ich schieße eine zweite Leuchtkugel ab. Plötzlich hört das Feuer auf , der Pulverqualm lichtet sich etwas, und nun geht es im Laufschritt weiter.

Wir springen über Löcher und Balken ehemaliger Unterstände. Links von uns, am Fuße der Jeza, liegt ein wüster Trümmerhaufen, das ehemalige Dorf Ciginj. Doch kein Italiener ist zu sehen. Feindliches MG-Feuer aus den Felsennestern der Jeza und Artilleriefeuer der Kavernen-Batterien setzt ein und beschießt unsere soeben verlassene Stellung. Da wir uns jedoch schon im toten Winkel befinden, kann uns das Feuer nichts mehr anhaben. So kommen wir Sturmtrupps ohne Verluste weiter. An halb zusammengebrochenen Buden und Unterständen geht es vorbei. Überall liegen mit Stroh umflochtene Weinflaschen des edlen Cinzano umher. Wir haben die ersten Gräben hinter uns. Da die steilen Wände der Jeza ein hinaufklettern unmöglich machen, wenden wir uns nach rechts. Am Fuße der Jeza sehe ich mehrere dunkle Stolleneingänge, aus denen schreckensbleiche Italiener auf uns zustürtzen. Sie fallen vor uns auf die Knie, reißen ihre Uhren und Ringe heraus und bieten sie uns mit schreckerfüllten Blicken an. Wir sollen ihr Leben schonen. Wir Hunnen! Pfui Teufel, was muss die Hetzpropaganda gegen uns Barbaren gewirkt haben. Doch wir haben keine Zeit uns um sie zu kümmern. Auf einem sehr gut gebauten Weg biegen wir um die Jeza." 

Doch ganz geschlagen gegeben hatte sich die Italiener noch nicht. Beim Aufstieg auf die Jeza gerieten Karl und seine Kameraden in einen Hinterhalt und verlieren im Maschinengewehrfeuer der Italiener allein 95 Kameraden. Davon 19 Tote, unter ihnen auch Leutnant Robitschek, und 76 Verwundete. Sie konnten nicht weiter vorgehen aber auch nicht mehr zurück. So waren sie gezwungen abzuwarten bis anderen Truppen rechts und links durchbrachen. Erst am Morgen des 25. Oktobers war es so weit. Nach einer kalten, nassen Nacht in Einkesselung ergaben sich am Morgen unzählige Italiener und strömten den Deutschen Linien entgegen.

Karl: "Ein Teil der Jeza mit viel aufgestapelten Material. Aus diesen Autos haben wir uns die besten Stiefel und Wäsche angeeignet."

 

Richard: "Drahtscheren schneiden einen Durchlass durch den Drahtverhau. In dem Schützengraben ist alles leer. Wir staunen über diesen wundervoll ausgebauten und abgedeckten Graben. Doch zum Rasten ist keine Zeit. Weiter geht es einen steilen Felspfad hinauf zum Gipfel der Jeza. Endlich nach mühsamen Aufstieg langen wir oben an. Auf der höchsten Kuppe stehen sechs große, schwere, in die Erde eingebaute Mörser nebst mehreren riesen Stapeln Munition. Gut ausgebaute Stollen gaben der Bedienungsmannschaft einen sicheren Schutz. Hier können wir die Wirkung unseres Artilleriefeuers deutlich sehen. Die Kuppe des Berges ist um die Geschütze herum mit Granattrichtern übersät. Es ist erstaunlich, wie der Italiener diese ungeheuren schweren Mörser auf den Gipfel des Berges herauf geschafft hat.

Kurz hinter der Batterie stehen zwei große Lastautos. Alles stürzt sich auf sie. Zu unserer Freude sind sie angefüllt mit Uniformen, Wäsche, Wickelgamschen, Konserven, Brot und großen Mengen Zigarren. Schnell habe ich ein Paar Wickelgamaschen und ein Paket mit Wäsche requiriert. Da wir zwei Stunden Rast machen, steht bald das ganze Bataillon im Hemd da. Jeder wechselt seine verlause Wäsche gegen neue. Da wir vor Kohldampf kaum mehr geradeaus sehen können, schmecken uns die herrlichen Fleischkonserven und das wundervolle weiße Brot großartig. Nachdem sich alles gestärkt hat, geht es weiter auf schwindelerregenden Pfaden über die Berge."

 

Karl: "Der selbe Teil, im Hintergrund meine Kompanie beim Rasten und zugleich beim Anziehen der erbeuteten Wäsche und Stiefeln. Wir ließen uns all die guten Lebensmittel schmecken. Diesen Tag werde ich nie vergessen."

In den darauf folgenden Tagen nahmen die Einheiten der 14. Armee den Matajur ein und drangen bis in die Italienische Tiefebene vor. Die italienische Verteidigung brach vollständig zusammen und verwandelte sich in eine Flucht. In den folgenden Wochen stießen die Truppen der Deutschen und Österreicher über den Tagliamento hinaus bis an den Piave vor. 

Quellen:

 

Mit fünfzehn Jahren an die Front - Als Kriegsfreiwilliger Jäger quer durch Frankreich, die Karpathen und Italien 1914-1918 von Richard Anrdt 

 Fotoarchiv www.isonzofront.de

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Kommentare: 1
  • #1

    Fritz (Dienstag, 14 März 2017 06:37)

    Sehr interessante Bilder und Informationen..
    Ein Besuch dieses ehemaligen Frontgebietes ist fast ein Muss...