Ein Kreuz am Wegesrand

Fährt man auf der Straße von Bovec nach Kobarid, so kommt man zwischen den Orten Srpenica und Trnovo ob Soči an einem großen weißen Steinkreuz vorbei. Dieses Denkmal ist mit der Geschichte der Isonzofront verbunden, denn es gibt eine traurige Geschichte dazu zu erzählen. 

 

Unmittelbar nach dem Ausbruch des Ersten Weltkrieges im Sommer 1914 wurden die Länder Europas von der Angst vor Saboteuren und Spionen im Inland erfasst. Man vermutete allerlei Aktivitäten des Feindes. So nahm man beispielsweise an, es könnten getarnte Goldtransporte durch die Monarchie auf dem Weg nach Russland sein, um das Zarenreich im Krieg gegen Österreich-Ungarn und Deutschland zu unterstützen. Wichtige Verkehrswege, Brücken und Pässe wurden daher von der Gendarmerie, der Polizei aber auch von Bürgerwehren ohne richtige Uniformen und mit Waffen aus privatem Bestand kontrolliert. So geschah es auch an der Straße von Bovec nach Kobarid. Dort, wo heute das Steinkreuz steht, befand sich ein Kontrollposten der Gendarmerie. Die Gräfin Lucy Christalnigg war eine angesehene Dame und arbeitete für das Rote Kreuz in der Region. Als eine der wenigen Frauen besaß sie einen Führerschein und erledigte Transporte für das Rote Kreuz mit dem Kraftwagen. In Erwartung eines nahen Krieges, war sie im August 1914 damit beauftragt Verbandsmaterial in Depots zu befördern. Dafür hatte man ihr eine Genehmigung zum passieren aller Kontrollstellen ohne Kontrolle ausgestellt. Eigentlich sollten alle Kontrollposten über die Transporte mit dem PKW des Roten Kreuz informiert werden, doch es kam anders. 

Wie bereits erwähnt, herrschte zu Kriegsbeginn eine gewisse Verunsicherung und Angst vor Spionen und Saboteuren. Alle Posten waren angewiesen worden das Feuer zu eröffen, sollte jemand versuchen sich der Kontrolle zu entziehen. Am 10. August 1914 war die Gräfin Christalnigg wieder mit dem Auto des Rot Kreuzes von Bovec nach Kobarid unterwegs. Sie vertraute auf ihre Erlaubnis zum Passieren der Kontrollstellen und durchfuhr die Kontrollstelle an der Straße ohne anzuhalten. Doch der Posten war aus ungeklärten Gründen scheinbar nicht über ihre Erlaubnis informiert und es kam wie es kommen musste: Nachdem die Gräfin die Kontrollstelle durchfahren hatte, gab einer der Posten einen Schuss auf den Fahrer ab und traf die Gräfin tödlich. Man könnte die Gräfin Lucy Christalnigg also als das erste Todesopfer des Ersten Weltkrieges an der oberen Soča bezeichnen. Weil sie in der Bevölkerung für ihre humanitäre Arbeit sehr geachtet und beliebt war, wurde zu ihrem Gedenken das Kreuz am Wegesrand errichtet. Nach diesem tragischen Vorfall wurden die Kontrollen schnell aufgehoben und die Angst vor Spionen legte sich wieder. Im Mai 1915 erklärte Italien Österreich-Ungarn den Krieg und so kam der Krieg dann endgültig an die Soča, wo er noch tausende weitere Opfer fordern sollte. 

 

Interessant sind die Meldungen in den Tageszeitungen über dieses Ereignis. In der Zeitung "Arbeiterwille - Organ des Arbeitenden Volkes für Steiermark und Kärnten" vom 11. August 1914 erschien nur eine kurze Meldung, in welcher der Passierschein noch erwähnt wurde. Am 15. August 1914 erschien dann in der Zeitung "Freie Stimmen - Deutsche Kärntner Landeszeitung" ein Artikel der eine offizielle Stellungnahme enthält sowie eine anderslautende Gegendarstellung der Ereignisse. In allen anderen Zeitungen enthält die Meldung nahezu den gleichen Wortlaut, allerdings ohne Gegendarstellung. Es wird klar, dass den Militärbehörden der Vorfall äußerst unangenehm war. Wie sich der Sachverhalt tatsächlich zugetragen hat ist anhand der Quellen schwierig zu beurteilen. Mir ist nicht bekannt ob und mit welchem Ergebnis es Ermittlungsverfahren gegen die eingesetzten Posten gab, die ja angeblich alles richtig gemacht hatten. 

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