Feldkappen & Scheinangriffe

Im September 1917 entschlossen sich die Oberkommandos der Österreich-Ungarischen und Deutschen Armee endgültig zur Offensive am oberen Isonzo. In den Tälern bei Bovec und Tolmin sollten die Stellungen im Tal durchbrochen werden und im Talstoß die gegenüber liegeneden Höhen erobert werden. Im weiteren Verlauf war das Hauptziel der Austritt aus dem Gebirge in die italienische Tiefebene bis zum Tagliamento. Jedoch drängte man von deutscher Seite darauf die Operationsziele auch über den Tagliamento hinaus zu setzten. Letztlich drang die Offensive in Oberitalien bis an den Piave vor. 

 

Zur Vorbereitung der Offensive waren intensive Erkundungen notwendig, insbesondere durch Artillerie- und Minenwerferstäbe. Für jedes Geschütz musste ein geeigneter Platz in den engen Tälern gefunden werden und es mussten auch Verkehrspläne entworfen werden um einen reibungslosen Aufmarsch über die wenigen Straßen zur Front gewährleisten zu können. Da die aufmarschierte 14. Armee in den Tälern leicht durch die italienische Artillerie gefasst werden konnte musste der Aufmarsch streng geheim bleiben. Im Bereich Bovec - Tolmein sollte nichts auf die Anwesenheit der Deutschen hinweisen. Da man aber die Anwesenheit so großer Truppenansammlungen im Alpenraum nicht ganz verheimlichen konnte ließ man Teile der 14. Armee an anderen Frontabschnitten demonstrativ Aufmarschieren. So zeigten sich die Einheiten des Alpenkorps Ende September in den Stellungen im Trentino und führten dort Übungen durch. Das württembergische Ulanen-Regiment 19 zeigte sich in der Gegend von Triest. Die Italiener sollten den Angriff überall vermuten, nur nicht am oberen Isonzo. Die Regimentsgeschichte der 19er Ulanen berichtet dazu, dass Oberleutnant Mayer mit einigen anderen Offizieren dem Kommando der 1. Isonzo-Armee zugeteilt war. Sie sollten dort Vorbereitungen für einen Scheinangriff im Raum Triest treffen. Er berichtet:

 

"Über Aßling und Laibach brachte uns die Bahn in die herrliche Triester Gegend und bald war Sesana erreicht, wo wir uns bei General von Wurm, dem Kommandanten der 1. Isonzo-Armee meldeten. Nach herzlicher Begrüßung erhielten wir, - es war eine große Zahl kommandierter deutscher und österreichischer Offiziere zusammengekommen - die näheren Befehle und Aufschlüsse über unsere bevorstehenden Aufgaben. Ein Lastkraftwagen brachte uns über Basovica nach Triest, wo wir uns bei Admiral Baron von Kolelga, dem Kommandanten der Seestreitkräfte, meldeten. Dieser empfahl uns einen Besuch bei dem Statthalter von Triest, Dr. Alfred von Fries Stone, zu machen. Überall wurde uns warmer Empfang zu teil, und in den Theatern und Kaffeehäusern richteten sich aller Augen auf die deutschen Uniformen. Der Heeresleitung war sehr daran gelegen, die dortige Bevölkerung, welche mehr oder weniger italienisch eingestellt ist, irre zu führen. Zur Verschleierung der Angriffsabsichten wurde eines Tages am Quai in Triest ein deutsches Bataillon verschifft, mit Tender und Torpedobooten nach Pirano, Pte. Rose und Isola Muggio befördert und dort einquartiert. Wir hatten auch Gelegenheit den Seeflugzeughafen und ein U-Boot zu besichtigen." - "Mit einer Feldbahn fuhren wir nun zum 25. Korps bei Fliskoviza. Unter guter Führung besichtigten wir die berühmte Höhe 471,  die Hermada, ferner fanden Erkundungen im Gelände bei Montfalcone, Selo, Kostanjevica und Veits Berg statt. Die Rückfahrt wurde über Sistiana geleitet, um uns die dortigen Marmorbergwerke zu zeigen. Über Opcina fuhren wir dann nächsten Tages mit Lastauto zum Kommando der 12. Infanterie Division bei Santa Groce. Der Monte Primus wurde von dort bestiegen; die auf seinem Gipfel errichtete Seewarte bot eine gute Aussicht auf Grado, Montfalcone und die Adria Werke; wir sahen italienische und englische Monitore, sowie die Stobabatterien. Am folgenden Tage ging es in österreichischen Mützen über die 24. Brigade bei Nabresina nach Duino auf die Josephshöhe, an den Regimentsgefechtsständen vorbei in die vordersten Linien, und wir waren gerade Zeugen eines nach österreichischer Meinung sehr starken feindlichen Artillerieüberfalls. Die Splitterwirkung und das Getöse der Einschläge in dem steinigen Gebirgsgelände war ja immerhin recht beachtlich, aber nicht zu vergleichen mit dem an der Somme erlebten Trommelfeuer." - "Unser Auftrag war erfüllt, und mit warmen Händedruck verabschiedeten wir uns von den verbündeten Kameraden" 

Deutsche Soldaten an einer Quelle am Vodil Vrh. Alle tragen österr. Kopfbedeckungen. Anfang Oktober 1917. Sammlung www.Isonzofront.de
Deutsche Soldaten an einer Quelle am Vodil Vrh. Alle tragen österr. Kopfbedeckungen. Anfang Oktober 1917. Sammlung www.Isonzofront.de

Im Raum Tolmin begann die Erkundung des Geländes ab dem 25. September 1917 und es herrschte strengste Geheimhaltung. Alle Deutschen Soldaten durften sich nur mit österreichischen Feldkappen an der Front zeigen, zu leicht wäre die typische deutsche Tellermütze den italienischen Beobachtern aufgefallen. Daher tarnten sich die Deutschen mit Mänteln, Windjacken und den Feldkappen. Leutnant der Reserve Hans Kilian berichtet darüber: "Da keinesfalls der Italiener während der Erkundung einen deutschen Offizier erkennen darf, gibt man mir zur Tarnung eine österreichische Gebirgsmütze, so wie sie die Kaiserschützen tragen. In den Vogesen benutzte ich eine Windjacke über der Uniform, damit verbessere ich auch jetzt meine Tarnung. Der ganze Armeestab musste diese Maskerade bei Erkundigungen mitmachen."

 

Die ungewöhnliche Kopfbedeckung sorgte für allerhand heitere Stimmung bei den Soldaten. So schreibt Leutnant der Reserve Ernst Struck von einer Ballonbeobachter-Abteilung:

 

"Am letzten Tage unserer kurzen Ruhe kam die Gebirgsausrüstung. Schwer benagelte Stiefel, Lederhosen, Wadenstrümpfe und Wickelgamaschen. Dazu noch österreich-ungarische Mützen. Wir kamen uns vor wie ein Gesangverein oder Kegelclub, der in die Berge zog"

Deutsche Soldaten mit Fez in den Bergen oberhalb des Lagers Pustina bei Bovec. Sammlung www.Isonzofront.de
Deutsche Soldaten mit Fez in den Bergen oberhalb des Lagers Pustina bei Bovec. Sammlung www.Isonzofront.de

Sogar der Fez, die typische Kopfbedeckung der K.u.K. bosnisch-herzegowinischen Infanterie Regimenter wurde von den Deutschen getragen, wie das nebenstehende Foto aus dem Nachlass eines Veteranen beweist.  Davon berichtet auch die Regimentsgeschichte des oberschlesischen Infanterie Regiments Nr. 23, es war nahe dem Schlossberg bei Tolmin eingesetzt. Dort steht:

 

"Um den Italienern die Anwesenheit deutscher Truppen an dieser Stelle der Front zu verbergen, erhielt die Truppe Kopfbedeckungen aus österreichischen Beständen, von denen wegen ihres leichten Gewichts der bosnische Fez am meisten Anklang fand. Außer ihrem tatsächlichen Zweck trug diese Art der "Vertarnung" wesentlich dazu bei, die gute Stimmung zu erhalten. Bot doch die neuartige Kopfbedeckung Anlass zu manchen witzigen Bemerkungen, die die überaus anstrengenden Märsche bei Nacht, bis über die Knöchel im Schmutz der völlig aufgeweichten Straßen, immerhin etwas erträglicher machten."

 

So erregte die Feldkappe bei den deutschen Soldaten so manches Aufsehen und es wurden viele Fotos mit der neuen Kopfbedeckung aufgenommen. Hauptsächlich erhielten alle Deutschen Truppen diese Tarnung welche nicht erst unmittelbar vor dem Angriff die Frontlinien besetzten. In vielen Nachlässen ist eine Fotografie dieser Art erhalten. Drei weitere Beispiele dafür liefern die Kameraden unten. Beim ersten Soldaten, einem Unteroffizier einer Kolonne, sieht man auf dem rechten Ärmel das Abzeichen für Fahnenschmiede. Fahnenschmied ist die militärische Bezeichung für einen Hufschmied. Auch er ließ sich in den Bergen um Tolmin mit seiner neuen Mütze fotografieren. Der zweite Veteran ließ sich mit allerhand Ausrüstung aufnehmen. So hat er seine Gasmaske angelegt und hält eine Pistole Modell Dreyse 1907 in der Hand. Ebenfalls gut zu erkennen, die Hose mit Lederbesatz an den Knien, welche die Truppen erst kurz vor der Offensive erreichte. Der dritte Soldat links, ließ sich vor einem der vielen Bauernhäuser hinter der Isonzofront aufnehmen. Die Beschriftung auf der Rückseite verrät uns, dass er Angehöriger der Vermessungs-Abteilung Nr. 28 war. Diese Abteilungen zeichneten neue Karten der oberen Isonzofront für die Durchbruchsschlacht.

 

 

 

Sogar nach der Schlacht verschwanden die Feldkappen und Fez nicht sofort von der Bildfläche wie dieses Foto aus einem Lazarett nach der Schlacht zeigt. Zu sehen sind zwölf verwundete "Isonzo-Kämpfer" mit den Krankenschwestern des Lazaretts. Manche tragen an ihren Mützen das Edelweiss des Alpenkorps, andere das Geweih des Karpathenkorps. Der stehende Soldat in der Mitte hat es sich nicht nehmen lassen für die Aufnahme noch einmal seinen Fez aufzusetzen. 

Quellen:

Das Ulanen-Regiment "König Karl" (1. Württ.) Nr. 19 im Weltkrieg 1914-1918 von Dr. Heinrich Beutner, Rittmeister a.D.;

Wir stürmten durchs Friaul von Hans Killian, Oberleutnant der Reserve und Gebirgs-Minenwerferspezialist beim A.O.K. 14;

Im Fesselballon von Ernst Struck, Leutnant und Führer eines Ballonzuges bei der 14. Armee;

Geschichte des Infanterie-Regiments von Winterfeld (2. Oberschlesisches) Nr. 23; Das Regiment im Weltkriege; von Paul Friedel;

 

 

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