Tagebuch eines Luftschiffers aus dem Italienfeldzug

Aus dem Nachlass des Schreibers. Ein deutscher Fesselballon wird an der Westfront gefüllt. Sammlung Isonzofront.de
Aus dem Nachlass des Schreibers. Ein deutscher Fesselballon wird an der Westfront gefüllt. Sammlung Isonzofront.de

Tagebücher von deutschen Soldaten welche an der 12. Isonzoschlacht und dem Italienfeldzug teilnahmen sind relativ selten. Der Verlauf der Ereignisse bot den Soldaten wenig Zeit zum Schreiben und besonders der intensive Regen während des Feldzuges dürfte so manche Aufzeichnung auf Papier zu Nichte gemacht haben. Um so mehr freut es mich, wenigstens Eines in meiner Sammlung zu haben, noch dazu von einer seltenen Truppengattung. Über den Soldaten der es verfasst hat ist mir nur wenig bekannt. Nicht einmal seinen Namen gibt das Tagebuch preis, wohl aber seine Einheit. Dabei handelt es sich um den:

 

Preußischen Ballon-Zug Nr. 45. 

Aus dem Nachlass des Schreibers. Ein erbeuteter französischer Fesselballon wird von einem deutschen Ballonzug an der Westfront eingesetzt. Sammlung Isonzofront.de
Aus dem Nachlass des Schreibers. Ein erbeuteter französischer Fesselballon wird von einem deutschen Ballonzug an der Westfront eingesetzt. Sammlung Isonzofront.de

Das Tagebuch selbst ist in einem kleinen Kriegskalender für Österreich-Ungarische Soldaten verfasst. Warum er als Deutscher einen Österreich-Ungarischen Kalender benutzte bleibt sein Geheimnis. Die Eintragungen sind nicht besonders ausschweifend und auch nicht täglich verfasst worden. Oft sind die Ereignisse mehrerer Tage auf einer Seite zusammen gefasst. Ausführliche Schilderungen wurden nur sehr selten im Feld verfasst. Die bekannten, ausführlichen Tagebücher wurden oftmals nach dem Krieg anhand von Notizen in solchen Kalendern neu verfasst. Das vorliegende Tagebuch beginnt im Jahr 1916 und endet mit dem Kriegsende 1918 und dem Rückmarsch in die Heimat. Im folgendem Artikel möchte ich den Abschnitt des Italienfeldzuges behandeln, und steige mit meiner Transkribierung am 12. September 1917 mit dem Abmarsch von der Westfront ein. 

Der Kriegskalender enthält eine Karte auf welcher der Schreiber seine Stationen während des Italienfeldzuges markierte.
Der Kriegskalender enthält eine Karte auf welcher der Schreiber seine Stationen während des Italienfeldzuges markierte.

Im Folgenden je ein Scann der Tagebuchseite und darunter die Transkribierung. Ich habe offensichtliche Rechtschreibfehler berichtigt und Abkürzungen ausgeschrieben. Ansonsten wird das Tagebuch wie vorliegend wiedergegeben.  

Am 12. September geht es im Marsch nach Bouisies 30 km entfernt. Dort liegen wir in schönem Bürgerquartier. Werden dort neu ausgerüstet. In Le-Chateau habe ich Gasflaschen...

...verladen und dort in Mannschaftsbaracken 1 Nacht geschlafen. Le Chateau, schöne französische Stadt auch hat ich noch einmal dort Wache. Bousies, schönes Dorf, nette Leute, tüchtig Äpfel gegessen die Zeit war bis da meine schönste im Felde. Am 6. Oktober rücken wir dort ab. In Le Chateau werden wir verladen, dann beginnt die Fahrt.

Stationen folgende:

ab Le-Chateau, Le-Capello, Sedan, Busendorf, Saargemünd, Straßburg, Karlsruhe, Pforzheim, Stuttgart, Ulm, Augsburg, München, Rosenheim, Salzburg hier beginnen die Alpen, die Fahrt ist herrlich durch die Naturschönheit. Schladming, Öblarn, Selztal, St. Michael, Knittelfeld, Treibach-Althofen, St. Veit, Tarvis Endstation. In Tarvis beziehen wir Quartier. Liegen auf Stuben im Stroh auf dem Boden.

Tarvis, liegt sehr schön, die Berge sind ringsum sehr hoch. Die Einquartierung war vom 11. Oktober bis 26. Oktober.

Näheres über die Umgegend:

Ringsum viele hohe Berge, Felsen bis zu 2000m. Bei Reibel ein schöner See und ein Bergwerk (Zink).

 2 Tunnels unter denen die Straße durchgeht. Von Tarvis nach Unterbreth machte ich einen Marsch. Dort beginnen die Julischen Alpen, vorher sind die Kärntner Alpen. Auch fließt hier der Isonzo.

 


Wir erhalten hier Lederhosen und Gebirgsschuhe mit Gamaschen. (in Tarvis)

Am 26.10. vormittags rückten wir in Tarvis aus zur Front. Ich wurde zum Lastauto eingeteilt und hatte so das Glück im Auto durch die Alpen zu fahren. Die Fahrt ging bis Cividale in Italien und dauerte 5 Tage und Nächte. Wir kamen durch die Orte Reibel, Unterbreth, Flitsch. In Flitsch und Umgegend waren die Durchbruchsstellungen. Flitsch selbst war total zerschossen. Die Stellungen vor Flitsch waren teils zerschossen. Sehr viel Munition hatte der Feind zurückgelassen. Als uns dann hier die Kolonne am anderen Tage eingeholt hatte, fuhren...

 

...wir weiter. Mußten dann aber vor dem Isonzo halt machen, da dort die Brücke gesprengt war. Abends war dann eine Brücke von Pionieren gebaut und wir fuhren darüber weg. Jetzt ging es in schneller Fahrt der Grenze zu. Wir fuhren bald hoch, bald tief im Tal. An steilen Abhängen und tiefen Schluchten vorbei. Die Fahrt war wohl schön durch die Schönheit der dortigen Alpen, aber auch für uns hauptsächlich des Nachts etwas gruselnd. Wir kamen durch Karfreit wo wir mal in einer Feldbäckerei Brot erhielten. Dann kamen wir durch Lago nach Cividale. Unterwegs fuhr das Auto uns ein paar mal in den Graben. Mit Mühe und Not...

...arbeiten wir uns wieder heraus. Dies geschah dann ein paar Mal im strömenden Regen. Wir wurden dann ganz durchnässt und verfluchten ganz Italien. Zum Glück waren es die letzten 2 Tage und wir konnten in Cividale uns wieder in Ordnung bringen. In Cividale bezogen wir in der Nähe des Bahnhofes Quartier. Die Stadt wurde zur Zeit von deutschen und österreichischen Soldaten ausgeplündert. Auch wir schleppten uns Sachen und sehr viel Wein heran. Fleisch, Kartoffeln, Nudeln hatten wir dann reichlich. Wir lebten dann gute Tage und tranken jeden Tag die besten Weine. Cividale war sehr schön aber alle Häuser ausgeplündert, so daß sie ein rüdes Bild bot. Nach 4 Tagen...

marschierte ich mit der Abteilung weiter. Am Tag machten wir die Märsche und Nachts bezogen wir Quartier in den Dörfern. Auch viele Nächte lagen wir auf der Straße. Dies machte mir alles Spaß, denn wo wir hinkamen hatten wir reichlich Wein und auch genug zu essen. Wir kamen durch Fagana und gingen dann bei Spilimbergo über den Tagliamento. Dieser war 1500m breit und wurde durch eine von Pionieren gebaute Brücke überfahren. Dann ging es durch St. Foca und Passaltella wo wir auch Quartier bezogen. Am Abend mussten wir 25 km zurück bis...


... zum Tagliamento, wo wir Gasfalschen rüber tragen sollten. Waren aber Abends dann so müde, daß wir bis Spilimbergo gingen und dann in einem Hotel über Nacht blieben. Durch den anhaltenden Regen zur Zeit waren wir ganz durchnässt. Das waren einige der schwersten Stunden auf dem Vormarsch. Wir trugen aber dann doch keine Flaschen sondern dies wurde von Italienern besorgt. Wir kamen dann des anderen Abends zurück und marschierten am anderen Tage weiter. Die nächsten Orte waren St. Martino, Fiata, Vittorio, Col, St. Martino, Sacile, Pieve de Loliga, Bezzole. Pezzole ist unsere...

Entladestation. Hier kamen wir am 26.11. an. Wir beziehen Quartier in den Gehöften, welche in der Nähe des Aufstiegsplatzes sind. Der Aufstiegsplatz liegt bei einem einzelnen Haus. In demselben wird die Vermittlung eingerichtet. Der Meldetrupp zieht dann hier hinein und besorgt den Telephon Dienst. Die Aufstiege gehen vor sich wie bisher. An Obst mangelt es nicht auch Wein ist vorhanden. Wir werden hier der Abteilung 45 zugeteilt. ...

Weihnachten in Italien. Heiliger Abend. Am Nachmittag Ordensverleihung und Beförderung. Abends haben wir in der Meldestelle unseren Christbaum angesteckt. Ersten Festtag und zweiten verlebten wir auch ganz schön. Am 29. Dez. morgens um 8:40 brannte unser Ballon ab. Er wurde von 4 engl. Fliegern angegriffen. Diese umkreisten den Ballon und schossen ihn durch Brandmunition in Brand. Die Beobachter Mund, Feldw. ; Bräuer, XXX; sprangen eine Minute vorher ab, landeten glücklich. Am 30.12. wurde ein feindlicher Flieger brennend abgeschossen. Italienischer großer Bombenflieger. Am 28. Januar wird der Ballon ausgedrückt und zwar das Gas in österreichischen Ballon.

Am _ rücken wir in Pezolle ab. Es beginnt dann ein Marsch von 3 Tagen. Wir gehen den Weg über folgende größere Orte.

XXX, Pordone, Sacile, Conegliano, Spilimbergo. In Spilimbergo werden wir in einer italienischen Kaserne einquartiert. Wir richten uns dieselbe gut ein, wozu wir Betten Stühle Tische und sonstige Möbel aus den Häusern der Stadt herantragen. Hier gefällt es uns ganz gut. Nach 4 Tagen mussten wir aber hier wieder weg, da Österreicher in den Ort kamen. 


Nach einem Tagesmarsch kommen wir an in dem Dorf Travisio an.  Dies liegt am Abhang eines Berges und ist auch ringsherum von Bergen eingeschlossen. Die Landschaft ist sehr schön. Die hohen Berge sind alle mit Schnee bedeckt. Wir liegen hier im Bürgerquartier und zwar liegt der Meldetrupp in einer Stube. Hier werden wir in allen Teilen ausgebildet, so daß man sagen kann "ein Kasernenleben" aber es ist zu ertragen.

 


Damit enden die Tagebuchaufzeichungen aus dem Italienfeldzug unseres unbekannten Luftschiffers. Nach wenigen Tagen wurde die Ballon-Abteilung 45 in Spilimbergo verladen und zurück an die Westfront gebracht, wo die Abteilung noch bis zum Kriegsende im November 1918 weiter kämpfte.